trottellummen

Trottellummen dicht an dicht, Helgoland

trottellummen

wassergeschöpfe
aus not die brut auf schmalen
felsenbändern gewagt
eng an eng
das ei zwischen absturz und schlupf
auf den füßen ausbalanciert

darüber
von wind und echo geformt
die stimmen tausender existenzen
blind eingefügt ihrem schicksal
das die felsen umkreist

jeder schritt in den abgrund
vom flügelschlag aufgefangen

das können die küken nicht:
hungern und sterben oder
fall
in die tiefe –
schrill ihre stimmen
überm bass der alten
schwellenlaute der angst

zögern und zaudern
lang

am ende
schneller sprung
ins leere

leichgewicht
preisgegeben dem wind:

glück
wenn in sinkender nacht
endlich
die landung gelingt

der falke

Turmfalke im Winter, Abflug

der falke

schöner flieger
zeitdurcheiler
feldmäuse kleine vögel
verlieren ihr leben
füttern seins

greifspur im schnee
schnell verwischt

kompassnadel der wind
der ihn trägt ins rasende
sturzab

auf der grenze
des horizonts balancierend
durchpfeilt er
die schallmauer augenblick

rüttelt
rüttelt mich wach

tordalken

Tordalken, kopulierendes Paar

tordalken

triumf des augenblicks
wenn der same in die
kloake schießt

kein ich nur bersten
im fluss der kräfte die
gleich gültig wem
das weltall durchziehn

empfangen
verströmen
empfangen

glück der copula
um das der rote felsen
kreist bevor er
die wunde umschließend
im schoß der vogelin

dem wunder zwischen
wasser und wind
die steinige flanke reicht

turteltauben

Turteltauben, turtelnd

turteltauben

im weinberg die farben des rosmarin
flammend
deuten das himmelsblau um

auf kahlem sitz
von wärme umflossen
das turtelpaar
gurren schnurren und gurren

lieder aus alten zeiten:

jedes dorf
solange im sommer
die jagdflinten schwiegen
seine taubenreviere bergend:
horte friedlicher zärtlichkeit
im flüchtigen augenblick

am abhang der rote lehm
von bienenfressern durchlöchert
hält den stimmen sein lauschen hin:

speichert sie wie die sonnenwärme
als fundus für härtere zeiten
wenn gurren und schnurren

gänzlich verstummt

stare

stare

da oben
ausbalanciert
nie allein
jeder
star unter staren

pfiffe umkurven
das kirchendach

dem engel
festgeschmiedet am kreuz
biegen sie töne für
seine posaune bei

improvisationen der freiheit
starenimpromptu

segeln
im schatten des falken
flügel weit ausgebreitet
hinunter
aufs scheunendach
lassen pfiffe zurück

der engel bleibt allein

mein land

mein land

mein land liegt zwischen
den flügeln der vögel
fliegt mit ihnen himmelwärts
kehrt wieder zur erde zurück

singt ihre lieder
vom großen blau

im herbst rollt es sich
in ein leeres nest
wartet
geschüttelt von
winterwinden
auf schreie
ziehender vögel

die es wieder
aufsteigen lassen

mein land
zwischen vogelflügel
gebettet
mein blaues land das mich nie
vergisst

der sperling

Haussperling (2), Luftsprung

der sperling

luftakrobat
baut sein nest unter
unserem dach
zusammen mit seinen gefährten


fragt nach nichts
glaubt fest daran
dass wir saat und ernte
mit ihm teilen
und das wilde kraut am weg


hüpft in die luft
lässt sich fallen
bevor er die flügel rührt


vertraut uns mehr als der katze


gläubiges herz
ohne schutz und schirm
nicht mal
eine rose als stütze

amsel

amsel

aus dem großen klang
der mich atmet
forme ich mit lust
den tönenden augenblick
mische aus gold und federschwärze
mein amselmoll
aus sonnengesprenksel
den einen hohen ton –

ein kickser für den regenwurm
der mir magen und muskeln wärmt

und schon mit der doppelkehle
eine neue phrase voraus geschmeckt
und die melodie von gestern
gehörig moduliert

schön ist es durch meine kehlen
den flügelschlag des windes zu pressen
den regen
zu runden und zu taktieren
den staub
mit lichtspritzern zu verwirbeln
das züngeln der grünen flammen
täglich von neuem zu intonieren –

und wieder ein regenwurm
in meinen schlund geringelt

ringsum in nachbarrevieren
glucksen meine schwarzen genossen
singen mit leib hirn und herz
ihre soli
denen ich aufmerksam lausche
um ihnen gebührend antwort
zu flöten

während ich meine leiser
trällernde braune schöne
und unsere vorlaute brut
mit schönen tönen verwöhne
samt allem
was uns lauschend
umringt

Septemberende: Rotmilane & Co.

Septemberende: Rotmilane & Co.

Rotmilane kreisen über der Feldmark von Hofstetten
Rotmilane kreisen über der Feldmark von Hofstetten, Oberbayern

29. September 2021

Ende September. Vorgestern war es Mittags noch heiß, der Himmel voller Sonnenbläue, auf jedem zweiten Dachfirst haben die Hausrotschwänze gesungen. Dennoch sind jetzt inmitten der Lichtfülle die Keime künftiger Dunkelheit zu spüren und verbreiten eine gewisse Melancholie. Die Sonnenblumen an den Feldrändern lassen ihre samenschweren Köpfe hängen. Wo nicht ständig gemäht wird, blühen die Herbstzeitlosen, schließen sich am Abend, öffnen sich am Morgen, und mit prallen Hagebutten an den Wildrosensträuchern verabschiedet sich der Spätsommer in den Herbst.

♫ Herbstkonzert am Rande des Dorfes um ein Pferdegehöft herum ♫
Rotkehlchen, junge Stieglitze, ein Star, der gleich mal den Mäusebussard imitiert und rauf und runter pfeift, Zilpzalp, Grünfinken, Elstern, Grünspecht, dazu Pferd und Esel geben dem Sommer ein farbenprächtiges, stimmkräftiges Abschiedskonzert

Längst jagen die Mauersegler unter afrikanischem Himmel. Viele unserer Schwarzmilane haben die Sahara überquert, Sumpfrohrsänger, Fitisse, Mehlschwalben sind verschwunden. Hier und da flitzt eine letzte Rauchschwalbe über die Viehweiden, schnell wird ihre Flugbahn gelöscht von herumstreunenden kleinen Starentrupps.

Nun, in diesem ersten der Herbst- und Wintermonate, deren Namen auf r endet, sammeln sich in der Feldmark Vögel, deren Namen mir R beginnen: Rotmilane, Rabenkrähen, Ringeltauben. Obwohl wir hier in einem Landstrich leben, in dem Rotmilane recht häufig sind, ist es für mich jedes Mal ein Erlebnis, ihnen zu begegnen, und jedes Mal muss ich sie „zu Ende gucken“, wie das mal eine Frau formuliert hat, um deren italienischen Olivenhain herum die faszinierenden Schlangenadler leben.

Rotmilane sind von einer wildromantischen Schönheit, die ich ab und an versuche, in Fotos zu bannen, was mir aber nie ganz zur Zufriedenheit gelingt. Der fast weiße Kopf, das rot changierende Gefieder, das helle scharfe Auge …

Und die Rufe, so sehnsüchtig wild, die nach Antwort verlangen! Oft entstehen dann Dialoge von Leitungsmast zu Leitungsmast, auf denen sie und andere Greife mit großer Vorliebe ansitzen, Mäuse kröpfen, rufen.

Rotmilane rufen einander von Leitungsmast zu Leitungsmast ♫

Gestern Morgen konnte ich einen Milan fotografieren, der sich auf den schütteren Wipfelzweigen einer Birke sonnte. Schien sich völlig sicher zu fühlen, ließ mich nahe herankommen, äugte, rief. Was er wohl wahrgenommen hat von der Figur, die die Kamera hob? Nachmittags hockten in den Stoppeln sechs der schönen Roten, stiegen einer nach dem andern in die Luft und kurvten lässig über der Feldmark zwischen unserem und dem Nachbardorf, während nahezu 100 Rabenkrähen und zwanzig Ringeltauben sitzen blieben.

Ringeltaubenwolke
Ringeltaubendurchzug in der Feldmark

Die Wildtauben sind sehr scheu, ihnen darf man nicht zu nahe kommen. Im September geht der Zug langsam los. Während unsere heimischen Ringeltauben oft Standvögel sind, fliegen nordöstliche Populationen bis Südfrankreich und Spanien. Zunächst sind es kleinere Trupps, die hier durchkommen, im Oktober oft große Wolken.

Auch Hohltauben, kleiner und wendiger, ohne jedes Weiß im Gefieder, finden sich regelmäßig dazwischen. Vor zwei Jahren habe ich an einem Oktobermorgen über 2000 Durchzügler gezählt und bin gespannt, wie sich das dieses Jahr entwickelt.

Und nicht zu vergessen die Rabenkrähen!
Was, Du zählst auch Krähen, fragte mich eine Bekannte, die mich zu einem Monitoring begleitete. Schwankte ganz offensichtlich zwischen Erstaunen und Abscheu, denn sie gehört zu denen, die die Schwarzen für lästig und überflüssig halten, nahezu Ungeziefer.
Ja, natürlich beobachte, „verhöre“ und zähle ich sie, die klugen Rabenvögel, die zu den Singvögeln zählen und viel stimmbegabter sind, als gemeinhin angenommen wird.

Was zur Zeit besonders spannend ist: wieder sind hier einzelne Rabenkrähen aufgetaucht, die durch unregelmäßig verteilte fast weiße Gefiederpartien auffallen, manche sehen geradezu gescheckt aus.
Es könnte Leuzismus sein, genauer gesagt: Teilleuzismus, eine genetisch bedingte Abweichung. Zur Zeit wird jedoch auch diskutiert, inwieweit solche Fehlfarben durch Umweltgifte entstehen. Ich halte das für wahrscheinlich.

Stimmkräftig und ausdrucksstark: Rabenkrähen kommunizieren im Herbst:

apocalypso

apocalypso

its no or never
brennt lichterloh
der wald das feld
die vögelein der veilchen-
blick vergissnichtmein
das täubchen fliegt aus
seiner kluft –
ich liebe dich mein herz mein du
ruckediku blut ist im schuh

der tag wird kommen
und trunkene flut
der nöck der fluss der ozean
der meerblick in die tulipan
der rochen treibt
aus seiner kluft –
ich liebe dich mein herz mein du
ruckediku blut ist im schuh

im frühtau zu berge
der boden bebt
die felsen und höhen der zinnenkranz
der zwergenblick der riesentanz
das mäuslein rennt aus
seiner kluft –
ich liebe dich mein herz mein du
ruckediku blut steigt im schuh
der regenbogen abgebrannt
maikäfer fliegt in anderland