Septemberende: Rotmilane & Co.

Septemberende: Rotmilane & Co.

Rotmilane kreisen über der Feldmark von Hofstetten
Rotmilane kreisen über der Feldmark von Hofstetten, Oberbayern

29. September 2021

Ende September. Vorgestern war es Mittags noch heiß, der Himmel voller Sonnenbläue, auf jedem zweiten Dachfirst haben die Hausrotschwänze gesungen. Dennoch sind jetzt inmitten der Lichtfülle die Keime künftiger Dunkelheit zu spüren und verbreiten eine gewisse Melancholie. Die Sonnenblumen an den Feldrändern lassen ihre samenschweren Köpfe hängen. Wo nicht ständig gemäht wird, blühen die Herbstzeitlosen, schließen sich am Abend, öffnen sich am Morgen, und mit prallen Hagebutten an den Wildrosensträuchern verabschiedet sich der Spätsommer in den Herbst.

♫ Herbstkonzert am Rande des Dorfes um ein Pferdegehöft herum ♫
Rotkehlchen, junge Stieglitze, ein Star, der gleich mal den Mäusebussard imitiert und rauf und runter pfeift, Zilpzalp, Grünfinken, Elstern, Grünspecht, dazu Pferd und Esel geben dem Sommer ein farbenprächtiges, stimmkräftiges Abschiedskonzert

Längst jagen die Mauersegler unter afrikanischem Himmel. Viele unserer Schwarzmilane haben die Sahara überquert, Sumpfrohrsänger, Fitisse, Mehlschwalben sind verschwunden. Hier und da flitzt eine letzte Rauchschwalbe über die Viehweiden, schnell wird ihre Flugbahn gelöscht von herumstreunenden kleinen Starentrupps.

Nun, in diesem ersten der Herbst- und Wintermonate, deren Namen auf r endet, sammeln sich in der Feldmark Vögel, deren Namen mir R beginnen: Rotmilane, Rabenkrähen, Ringeltauben. Obwohl wir hier in einem Landstrich leben, in dem Rotmilane recht häufig sind, ist es für mich jedes Mal ein Erlebnis, ihnen zu begegnen, und jedes Mal muss ich sie „zu Ende gucken“, wie das mal eine Frau formuliert hat, um deren italienischen Olivenhain herum die faszinierenden Schlangenadler leben.

Rotmilane sind von einer wildromantischen Schönheit, die ich ab und an versuche, in Fotos zu bannen, was mir aber nie ganz zur Zufriedenheit gelingt. Der fast weiße Kopf, das rot changierende Gefieder, das helle scharfe Auge …

Und die Rufe, so sehnsüchtig wild, die nach Antwort verlangen! Oft entstehen dann Dialoge von Leitungsmast zu Leitungsmast, auf denen sie und andere Greife mit großer Vorliebe ansitzen, Mäuse kröpfen, rufen.

Rotmilane rufen einander von Leitungsmast zu Leitungsmast ♫

Gestern Morgen konnte ich einen Milan fotografieren, der sich auf den schütteren Wipfelzweigen einer Birke sonnte. Schien sich völlig sicher zu fühlen, ließ mich nahe herankommen, äugte, rief. Was er wohl wahrgenommen hat von der Figur, die die Kamera hob? Nachmittags hockten in den Stoppeln sechs der schönen Roten, stiegen einer nach dem andern in die Luft und kurvten lässig über der Feldmark zwischen unserem und dem Nachbardorf, während nahezu 100 Rabenkrähen und zwanzig Ringeltauben sitzen blieben.

Ringeltaubenwolke
Ringeltaubendurchzug in der Feldmark

Die Wildtauben sind sehr scheu, ihnen darf man nicht zu nahe kommen. Im September geht der Zug langsam los. Während unsere heimischen Ringeltauben oft Standvögel sind, fliegen nordöstliche Populationen bis Südfrankreich und Spanien. Zunächst sind es kleinere Trupps, die hier durchkommen, im Oktober oft große Wolken.

Auch Hohltauben, kleiner und wendiger, ohne jedes Weiß im Gefieder, finden sich regelmäßig dazwischen. Vor zwei Jahren habe ich an einem Oktobermorgen über 2000 Durchzügler gezählt und bin gespannt, wie sich das dieses Jahr entwickelt.

Und nicht zu vergessen die Rabenkrähen!
Was, Du zählst auch Krähen, fragte mich eine Bekannte, die mich zu einem Monitoring begleitete. Schwankte ganz offensichtlich zwischen Erstaunen und Abscheu, denn sie gehört zu denen, die die Schwarzen für lästig und überflüssig halten, nahezu Ungeziefer.
Ja, natürlich beobachte, „verhöre“ und zähle ich sie, die klugen Rabenvögel, die zu den Singvögeln zählen und viel stimmbegabter sind, als gemeinhin angenommen wird.

Was zur Zeit besonders spannend ist: wieder sind hier einzelne Rabenkrähen aufgetaucht, die durch unregelmäßig verteilte fast weiße Gefiederpartien auffallen, manche sehen geradezu gescheckt aus.
Es könnte Leuzismus sein, genauer gesagt: Teilleuzismus, eine genetisch bedingte Abweichung. Zur Zeit wird jedoch auch diskutiert, inwieweit solche Fehlfarben durch Umweltgifte entstehen. Ich halte das für wahrscheinlich.

Stimmkräftig und ausdrucksstark: Rabenkrähen kommunizieren im Herbst: