Vorfrühling

Vorfrühling

22. Februar 2021

Vorfrühling, endlich. Jetzt knallen die Winterlinge aus all der Vorjahresdürre, daneben meldet sich das schüchterne Weiß der Schneeglöckchen – und im Seeholz haben sich die Märzenbecher aus dem Laub geschoben. Einige Blütenköpfe sind schon geöffnet und baden im Getrommel der Buntspechte, im Grünspechtlachen und in den Triller- und Pfeifkonzerten der Kleiber.

Vorfrühlingskonzert im Seeholz – ganz am Anfang singen Rotkehlchen und Waldbaumläufer

Alle Vogelkästen ums Haus herum sind gereinigt, auch die in der großen Doppellinde. Die Stare schlüpfen nun ein und aus, pfeifen die Vogeltonleiter rauf und runter, schlagen die Flügel.
Heute habe ich mein Mikro auf zwei Stare gerichtet, die vom Kirchturmkreuz herab musizierten – eine interessante Aufnahme, weil hier nicht nur in genialen Abwandlungen gepfiffen und gesungen wird, sondern auch kurz und leise gegackert; wie ein Huhn. Genau dieses kleine Gegacker (in 00:14) habe ich auch vorletztes Jahr am gleichem Ort aufgenommen. Ob es derselbe Star ist?

Stare musizieren auf dem Kirchturmkreuz, Februar 2021

Auf den Feldern tummeln sich jetzt die Lerchen, rufen und fliegen in langen Wellen. Zwei sind Brust an Brust hochgeflattert, wie Kampfhähnchen, einige steigen und singen schon.
Sonntagfrüh haben plötzlich alle Buchfinken in allen Büschen und Gehölzen gleichzeitig zu singen begonnen, als hätte es ein geheimes Signal zum Singestart gegeben, so dass es mir auf meiner Radrundfahrt schien, als würde ich an einer Songline entlang geführt, einer Songline aus hell triumphierenden Schmettertouren und Überschlägen.

♫ Buchfinkengesänge am Wegrand ♫

Ähnlich agieren die Amseln in unserem Dorf und die anderen Überwinterer oder Kurzstreckenzieher: Mistel- und Singdrosseln, Rotkehlchen, Zaunkönige, Hänflinge und Goldammern, alles mischt sich ein ins frühe Frühlingskonzert.

Der Rotmilan pfeift und wiehert und wird prächtig von den Staren imitiert, die ebenso das Trillern des Schwarzmilans und die Jagdrufe des Turmfalken drauf haben, mit dem sie mich gelegentlich täuschen können, den Turmfalken nie.

Dies ist jetzt die schönste Zeit, trotz häufigen Fröstelns: Zeit der Erwartung und des vielfältigen Neubeginns nach langer Erstarrung. Kahl sind die Bäume, die Hoffung bleibt unbeirrbar grün.
Obwohl ich auch die Tropen liebe mit ihrer immerwährenden Tag- und Nachtgleiche, dem Vorhandensein aller Jahreszeiten zugleich und dem nie versiegenden Strom der Vogel- und Zikadengesänge, ist und bleibt doch der Wechsel der Jahreszeiten in unseren Breiten faszinierend. Unsere langen dunklen Winter sind der Preis für das dramatische Schauspiel des Neubeginns, das jedes Jahr ungerufen vor unseren Sinnen abrollt und das wir so harmlos Frühling nennen. Es ist aber alles andere als harmlos.

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