Über Birding
Birding ist der international eingebürgerte Begriff für Vogelbeobachtung in ihren verschiedensten Facetten und Ausprägungen – von der ständigen Jagd nach neuen Sichtungen bis zum stundenlangen geduldigen Ansitzen im Beoachterversteck. Federnlesen hat Johanna Romberg ihre Art des Birding in ihrem schönen Buch mit dem Untertitel: Vom Glück, Vögel zu beobachten charmant genannt.
Mein Birding-Schwerpunkt liegt in Oberbayern, wo ich wohne und das Vogelleben zwischen Lech und Ammersee, meist per Fahhrrad, erkunde. Gern schweife ich aber auch über diese engen Grenzen hinaus. Mein Sehnsuchtsort ist und bleibt der tropische Regenwald, insbesondere der in Zentralmalaysia – wer weiß, ob ich da noch einmal hin gelange.
Aber ob ich hier bin oder anderswo: Wie viele andere NaturbeobachterInnen stelle ich Jahr für Jahr mit Trauer fest, wieviel inzwischen verloren gegangen ist. Hier vor Ort zuletzt die Kiebitze, die für uns seit zwei Jahren verstummt sind, weil sie nicht mehr an ihre alte Brutstätte beim Egelsee zurückgekommen sind.
Birding in Zeiten der Katastrophen
In diesen Zeiten von Pandemien, Klimakatastrophen, Verlust der Artenvielfalt und all der Trauer darum bedeutet Birding aber mehr als nur Beobachten, Listen füllen, in Bild und Ton dokumentieren.
Ja, der Versuch, mitzuhelfen, um das zu stoppen, was noch zu stoppen ist, ist unerlässlich.
Um wirksam zu werden, setzt er jedoch voraus, das Phänomen Natur mit allen Sinnen als unverzichtbaren Teil unserer Existenz zu erfassen. Wirklich zu erfassen!
Was dazu führt, unsere Mitgeschöpfe nicht nur zu beachten, sondern zu achten und wertzuschätzen und folgerichtig vor uns selber zu schützen
Eine Grundhaltung, die unverzichtbar ist, soll sich wirklich wieder etwas ändern.
Darüber hinaus eröffnet sich der umfassenden und möglichst unvoreingenommenen Wahrnehmung immer noch, trotz aller Verluste, eine Welt wilder frei fließender Kräfte und unermesslicher Vielfalt, die sich in einem endlosen Strom der Verwandlung und Neuschöpfung befindet. Und trotz aller Skurrilitäten und scheinbaren Grausamkeiten eine Schönheit, die – das hat schon Darwin gegen alle Widerstände betont – ein konstituierendes Element der Evolution war und ist.
Mit einer solchen Weitung der Perspektive über die eigene Person, Sippe und Gattung hinaus wird, innerlich wie äußerlich, ein kleines Stück jener Wildnis offenbar, die in unserer Kulturlandschaft längst verloren gegangen ist – diesen Prozess nenne ich Verwildernis.
Und dies zu würdigen und zu bezeugen und – auf der hartnäckigen Suche nach Einheit in der Vielfalt – tiefer zu begreifen, ist der eigentliche Zweck meines Linsens und Lauschens, Staunens und Schreibens. Und dieses Blogs.