Höchste Zeit, nach den Singschwänen zu schauen. Wir wissen, dass die Schönen seit November wieder auf dem Lech residieren, insbesondere bei Dornstetten, wollen aber heute wie letztes Jahr unser Glück bei Apeldorf versuchen.
Die Flüchtigkeit der Vögel, die Leichtigkeit, mit der sie ihre Aufenthaltsorte wechseln können, hängt offenbar eng mit ihrer besonderen Art der Zuverlässigkeit zusammen.
Zweiggenau kann eine Nachtigall, die in Südafrika überwintert hat, auf ihren Singeplatz in ihrem Revier im Treptower Park zurückkehren. Und zuverlässig in jedem Spätherbst kehren Singschwäne aus dem hohen Norden in ihre Überwinterungsgebiete auf dem Lech zurück. Sind es immer dieselben samt ihren Nachkommen, oder wie sonst spricht es sich unter Singschwans herum, dass der Lech im fernen Bayern ein guter Ort zum Überwintern ist??
Um zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, braucht es, ja – Orts- und Biotopkenntnise und einige Quentchen Wissen um die Gewohnheiten der Vögel. Aber auch eine eine gute Portion Glück und Augenblicksgespür. Und Neugier natürlich.
Kaum sind wir kurz hinter Apfeldorf oben am Hang aus dem Auto gestiegen, wird unsere Aufmerksamkeit in zweierlei Richtung gezogen. Drüben auf der Wiese grasen etwa 300 Graugänse, und ich würde sie gern genauer mit dem Spektiv durchmustern. Gleichzeitig fangen meine Ohren außerordentlich lebhafte Klänge unten vom Lech her ein, denen ich nicht widerstehen kann. Sie ziehen mich magisch an. Und so folge ich dieser luftigen, aber mächtigen Spur. Schon auf dem ersten Absatz, da, wo das Feldgehölz steil zum Ufer hin abfällt und der Fluss zwischen den Bäumen hochschimmert, fließen die Stimmen zu einem Acapella-Chor zusammen, der an- und abschwillt und mich in Bann zieht. Sie sind wieder da! Und wie es scheint viele!! Ich befreie meine Füße von einigen Brombeerranken, lege mein Mikro auf den Rucksack, schalte das Aufnahmegerät ein. Lehne mich an einen Baumstamm und lausche dem Chor der Posaunenduette, der sich besonders steigert, als die Gänse über uns hinwegrauschen, schreiend, um auf dem Lech zu wässern.
Ab 01:40 schwillt der Posaunenchor mit den Schreien der Graugänseschar, die zum Lech hinunter rauscht, deutlich an, geht ganz offenbar in Resonanz damit
Endlich unten angekommen, sehe ich, dass sich das Gros der Singschwäne wieder am selben Ort wie im letzten Jahr aufhält: ziemlich weit draußen vor dem Schilfgürtel, kein einziger hier in Ufernähe, also gut zu spektieren bei diesem hellen Weihnachtstaglicht, aber schwierig zu fotografieren. Und wie viele es sind! Ich bringe das Spektiv in Stellung und lege das Mikro auf ein umgestülptes Boot, das am Ufer liegt.
Ein temperamentvoller Singschwanchor, der vom Ufer widerhallt und sich mit Windstößen mischt
Die da draußen, das sind knapp über 100 Individuen, zwölf graubraune Diesjährige dazwischen. Wo genau sie wohl aus dem Ei gekrochen sind? Und sie posaunen und duettieren, wollen an diesem Morgen gar nicht aufhören mit ihrem weihnachtlichen Schwanengesängen. So etwas habe ich noch nicht erlebt.
Eine abwechslungsreiche Wassermusik, die kein Ende nehmen will. Mal nahezu verebbend, mal ekstatisch sich steigernd. Die Weite und Einsamkeit nordischer Tundren und Waldseen schwingt darin und die unmittelbare Freude an Verständigung und Gemeinschaft
Mein Mikro nimmt es zuverlässig auf, dieses prachtvolle Oratorium, in das sich Graugänse, Blässhühner, Stockenten mischen, Schnatterenten mit ihrem seltsamen Geknarre, Flügelschläge und Wasserplatschen und das Echo, das die Lechhänge werfen.
Eine Weihnachtsmusik vom Feinsten …
Beim Duettsingen schwimmen die beiden Schwäne hintereinander und schwingen die Hälse gemessen vor und zurück, offenbar ein taktfestes, uraltes Ritual. Wer nicht singt, gleitet elegant dahin, gründelt, zieht die Federn durch den Schnabel, ruht.
Ruhende Spießentenmännchen mit typischem Kommamuster der weggedrehten HälseEin SchellentenweibchenDrei Spießentenmännchen, „Northern Pintails“ auf Englisch
Außer uns gibt es keine menschlichen Besucher. So können wir ungestört unsere Stative hier oder dort aufstellen, verschiedene Perspektiven ausprobieren, ungestört schauen, entdecken, lauschen.
Gegen Mittag.Die Graugänse werden unruhig und mischen sich stärker ein, Wind frischt auf, aber das Konzert wird unverdrossen fortgesetzt, steigert sich immer wieder
Bis zum Konzertende zu bleiben, gelingt uns nicht. Zwar hat mein Mikro jetzt sozusagen „Singschwanstimmen satt“ aufnehmen können. Aber die Schönen sind nach wie vor ungebrochen mitteilungsfreudig, ein Ende der Kommunikation auf Hochnordisch ist kaum so schnell zu erwarten, und das Wetter schlägt spürbar um. So verstauen wir wieder all unsre Optik und Lauschtechnik und beginnen den Hangweg hinaufzusteigen. Ich etwas wehmütig, wohl wissend, dass wir dies nie wieder so erleben werden. Auf halber Strecke steigern sich die Duette in meinem Rücken erneut auf so unwiderstehliche Weise, dass ich mich umdrehen muss, um ihnen mit Ohren und Mikro noch einmal die Ehre zu erweisen.
Posaunen und Trompeten á la nature! Sie werden zunehmend von starken Windböen übertönt, die durch die Hangbäume rauschen. Pech und Glück zugleich. Die weihnachtliche Wassermusik, sie ist nun ist definitiv vorbei. Jedenfalls für unsere Ohren.
Zwischen Tüpfelsumpfhuhn und Dunkelwasserläufer – ein Morgen am Hotspot Ammersee Süd
29. August 2022
Nach einem regnerischen Wochenende hat die Sonne Mühe, den zähen Nebel wegzulecken, der seit dem frühen Morgen aufgestiegen ist. Als er sich endlich aufgelöst hat, entrollt sich am Binnensee bei klassischer Augusthitze eine jener Bilderbuchszenen, wie man sie sich kaum zu erträumen wagt.
Der Große Binnensee am Ammersee Südende, Ramsar- und Vogelschutzgebiet, ist einer der bayrischen Hotspots für Wasservögel – insbesondere Limicolen und Schilfbrüter – und der am besten beobachtete und dokumentierte Vogelhotspot des Landkreises. Limicolen sind Watvögel, die Nahrung suchend in seichtem Wasser und am Wassersaum entlang eilen oder schreiten, manche hochbeinig elegant mit langen Stocherschnäbeln, andere klein, hastig pickend und auf unnachahmliche Weise mit dem Hinterteil wippend. Die meisten erscheinen plötzlich, bleiben ein paar Tage, verschwinden. Denn die Vogelwelt ist jetzt im Spätsommer schon wieder in Wechsel und Bewegung: der Vogelzug hat, wenn auch noch zögerlich, begonnen.
Blick von der Beobachterbank nach Westen auf Brutfloß und Schilfgürtel, Binnensee
Hier im Binnensee gibt es in Dammnähe eine aufgeschüttetet Kiesinsel und mitten im See ein Brutfloß, auf dem Flussseeschwalben und Lachmöwen, manchmal auch Schwarzkopfmöwen brüten. An diesem besonderen Ort kann man im Laufe des Jahres allen möglichen seltsamen und seltenen Vogelgestalten begegnen, hier eröffnet sich ein breites Spektrum zwischen Bart- und Blaumeisen, Tüpfel- und Kleinem Sumpfhuhn, Sumpfseeschwalben und Brachvögeln, Rohrdommeln, Schilfrohrsängern und Schwirlen – um nur einige zu nennen.
Gut 1000 Meter Fußweg von der Straße entfernt, an der höchsten Stelle des westlichen Ammerdammweges, bevor der zwischen Faulbaumgebüsch und kleinerer Bäumen verschwindet, steht eine Beobachterbank: von hier aus hat man den besten Überblick bis zum westlichen Schilfufer und darüber hinaus. Jetzt gegen 10 Uhr liegt nur nur noch ein leichter Dunstschleier über dem Wasser, durcheilt und durchteilt von den Flügeln der Wasservögel, und auch der verflüchtigt sich schnell.
Um die Bank herum ragen schon einige Spektive in die blaue Luft, dahinter, meist stumm versunken durch Okulare spähend, die Vogelbeobacher, Birdwatcher, Twitcher, Hobby- und mehr-als-Hobby-OrnithologInnen – und wie sie sich sonst alle nennen. Bevor man zum begehrten Beobachterplatz gelangt, muss man allerdings über ein paar dicke Felsbrocken klettern. Von wechselnden Hochwasserkräften hier zusammengewälzt, füllen sie eine Dammlücke zwischen Neuer Ammer und Binnensee. Es gelingt mir nicht immer, die Felsbrocken, oft schräg und glitschig und mit Wasserlachen dazwischen, ohne nasse Füße zu überwinden. Verstauchte Knöchel, höre ich, hat es auch schon gegeben.
Star Nummer eins – ein Dunkler Wasserläufer
Heute haben wir Glück, mein Gefährte Jochim und ich. Wir kommen erst einmal gar nicht dazu, die gesamte Felsformation zu überklettern, weil sich eine ungeahnte Szenerie gleich neben den Felsen eröffnet. Es gibt hier eine schmale Bucht, die sich um eine Kiesinsel windet, ganz ufernah und von Schilf, Gras und Seggen begleitet, bevor sie in den Binnensee mündet. Wir klemmen uns und unsere Stative zwischen Felslücken fest, schauen, warten, staunen. Es gibt keine ausreichende Erklärung dafür, warum sich sonst scheue Wasservögel gerade hier und jetzt vom großen Equipment samt dazugehörigen Beobachtern, die dieses Equipment eifrig betätigen, nicht stören lassen. Jung und unerfahren, mag sein. Aber dennoch ist es Magie, wie jetzt im schönsten Licht ein Dunkler Wasserläufer hervortritt und rotbeinig und langschnäblig gemessenen Schrittes herumstolziert. Seinen Schnabel im Schlamm versenkt. Auch mal flötend auffliegt, ungewöhnlich nah kommt, einfach nicht scheu ist.
Diunkler Wasserläufer am Ammersee Süd, 29. August 2022
Dunkle Wasserläufer sind Brutvögel des hohen Nordens. Im Prachtkleid sind beide Geschlechter nahezu schwarz, einschließlich der Beine, nur oberseits die Federn sind weiß gesprenkelt: in diesem Brutkleid habe ich sie noch nie gesehen. Die Männchen, heißt es, ziehen ihre Jungen allein groß, während die Weibchen schon im Juni aus den Brutgebieten abziehen – die Natur spielt offenbar alles durch, was möglich ist.
Dunkler Wasserläufer bei der Gefiederpflege, Ammerssee Süd am 29.08.2022
Dieser zutrauliche Vogel mit seinen roten Beinen, dunkel gefärbt, doch nicht schwarz, vielgefleckt und-gestreift auch auf Hals, Brust und Bauch (die adulten Vögel im Schlichtkleid, in das sie nach der Brutzeit wechseln, sehen viel heller aus), ist vermutlich ein Jungvogel, der sich auf die Reise gen Süden gemacht hat. Er lässt uns geradezu geruhsam – geruhsam auf beiden Seiten – zusehen, wie sein Tagwerk so abrollt, das wie überall im Reich des Lebendigen zuerst und zunächst dem Überleben dient: Hier findet er reichlich Nahrung, hier kann er sich für den Weiterflug rüsten und ein wenig mästen. Überwintern wird er irgendwo im tropischen Afrika oder im südlichen Mittelmeerraum.
Wenn der Dunkle Wasserläufer zwischendurchflötend ein Stückchen weiter weg fliegt, tritt wie aus einem Bühnenhintergrund ein Tüpfelsumpfhuhn hervor. Sonst scheu im grünen Nass lebend, wo sein Streifen-und Tüpfelmuster vom Gewirr der Seggen und Gräser und deren Schattenwürfen nahezu aufgelöst wird, schreitet es jetzt gemächlich und spektakulär unscheu mitten im schönsten Sonnenlicht einher.
Präsentiert sein hochgerecktes helles Schwanzdreieck und tritt mit seinen breiten grünen Rallenfüßen den Schlamm. Um manchmal ohne ersichtlichem Grund loszurennen und sich in Deckung zu bringen, aus der es kurz darauf wieder vertraulich hervortritt …
In Bayern zählen Tüpfelsumpfhühner zu densehr seltenen Brutvögeln, zeigen sich aber im Frühjahr und Herbst regelmäßig, meist vereinzelt, an Binnengewässern wie dem Ammersee, denn auch diese schönen Rallen sind Langstreckenzieher, ihr Überwinterungsgebiet ist groß, erstreckt sich von Südeuropa bis ins tropische Afrika.
Die Brutgebiete der wenigen bayrischen Paare liegen im voralpinen oberbayrischen Hügel-und Moorland, wozu auch der Raum zwischen Landsberg, Ammersee und Zellsee zählt. In der Arteninformation des Bayrischen Landesamtes für Umweltschutz (LFU) heißt es: Das Tüpfelsumpfhuhn brütet in Bayern vor allem in Teichgebieten, an künstlichen und natürlichen Seen und Altwässern mit ausgedehnten Seggenzonen oder vergleichbaren feuchten bis nassen Grasgesellschaften … So erklärt sich, dass ich seinen Balzruf zum ersten Mal im sumpfigen Gelände gleich hinter unserem kleinen Egelsee bei Hofstetten gehört habe: Ein merkwürdiger Quakk-Laut, der kaum nach Vogel klingt und dessen Urheber sich in dem vielschattigen Grün zwischen Weiden und Seggen nicht sehen ließ. Zunächst verblüfft, dann voller Neugier habe ich ihn aufgezeichnet und ihm hingegeben gelauscht.
Wirklich aufregend ist jedoch eine Tonaufnahme vom Zellsee bei Wessobrunn, einer ausgedehnten Fischteichanlage, im 15. Jahrhundert von Mönchen angelegt, die hier die Rott aufstauten. Seit 2006 ist es zum Europäischen Vogelschutzgebiet avanciert. Hier brüten (und quieken) die Wasserrallen viel und gern – und ganz offenbar auch das Tüpfelsumpfhuhn. Denn
sein, wie ich nach einiger Recherche herausgefunden habe.
Wer zählt die Arten, nennt die Namen …
Der dritte Star des Tages, nicht ganz so zutraulich, ist ein Stelzenläufer, der zierlich und graziös auf unwahrscheinlichlich hohen und dünnen Beinen herumstakt: wenn er ein Altvogel wäre, müssten die Beine leuchtend rot sein – sie sind aber nur fleischfarben blass und künden davon, dass es sich auch hier um einen Jungvogel handelt. Er bleibt leider recht weit weg.
Stelzenläufer am 29.08.’22 am Ammersee Süd
Während hinter uns in den Bäumen an der Ammer Grauschnäpper hoch und scharf rufen und im Schilf ein Blaukehlchen kruscht, nicht leicht zu fotografieren, treten – wer zählt die Arten, nennt die Namen! – weitere durchziehende Limicolen um die Kiesbänke herum auf: ein Zwerg-, ein Temminck- und ein Sichelstrandläufer, ein Kampfläufer, Sanderling, Flussuferläufer, zwei Bruchwasserläufer. DazuFlussregenpfeifer, die hier gebrütet haben, junge Bachstelzen. Im Hintergrund rufen melodisch zwei Grünschenkel. Und drüben, zwischen Brutfloß und westlichem Schilfgürtel, flügeln langsam und gewandt drei spektakuläre Raubseeschwalben überm Wasser, den starken roten Schnabel stets senkrecht nach unten gehalten, um plötzlich, wenn sie einen Fisch erspäht haben, steil hinabzuschießen. Was für eine Idylle an Artenfülle!
Gegen Mittag käschern zwei kleine Jungen Fischchen, die in den warmen Pfützen zwischen den Felsen schwänzeln. Das Wasser flimmert, die Sonne brennt und blendet. Dennoch ist es schwer, sich loszureißen und auf dem Ammerdamm zurück zu gehen. Wo er sich zu den Wiesen hin öffnet, sind seine Böschungen von Herbstzeitlosen übersät. So dass trotz Sonnenseligkeit nicht zu übersehen ist, dass der Sommer zu Ende geht und unweigerlich der Herbst anrückt.
Nachtrag vom 30. August 2022
Gestern habe ich auf Tonaufnahmen verzichtet, die am Ammersee Süd, zumal an einem Montag, kaum ohne den Autolärm, der von der Straße zwischen Dießen und Fischen herüberdröhnt, zu haben sind. Und hatte am nächsten Tag dennoch Glück – das Glück der Geduld, nachdem ich mir abgewöhnt habe, dies oder jenes zwanghaft zu erwarten und stattdessen einsammle, was gerade des meist krummen Weges daher kommt: Das waren heute am Zellsee die vielfältigen Stimmen im sonst recht stillen August
Die Watvögel auf den Sand- und Schlickinseln des Zellsees waren zwar viel zu weit weg, um sie genauer ins Auge fassen zu können, dafür jedoch recht stimmfreudig – insbesondere ein Dunkler Wasserläufer, den ich hier noch nie so gehört habe – siehe oben! Wie sanft sie sind, die Flötentöne dieses „Nichtsingvogels“- eine Zuordnung, die der Klangfülle seiner Stimme nicht gerecht wird. Denn obwohl Watvögel keine Singvögel sind, haben sie oft wundervolle Stimmen, in denen die melancholische Weite von Marschland, Watt und Mooren mitschwingt und die mich seit meiner Schülerinnenzeit (die ich, statt Hausaufgaben zu machen, möglichst im Hochmoor verbrachte) in Bann geschlagen haben.
Besonders schön: An meinen erhöhten Beobachtungsplatz am Rande des Eibenwaldes habe ich nicht nur eine weite Sicht über den Zellsee, sondern hier treffen sich die Wasser- und Waldstimmen in meinen Ohren und meinem Mikro in einem außerordentlichen Klangbild:
Rufe und Flugrufe von Dunklem Wasserläufer (ab Beginn) und Grünschenkeln (02:40 ff) und überfliegenden Kolkraben, am Eibenwaldrand. Ab 02:31 ein Graureiherruf. Die Schnatterenten auf dem Wasser sind ab 02:37 besonders deutlich zu hören, ab 03:55 die abfliegenden Rostgänse. Im Waldhintergrund schmatzt ein Mönchsgrasmücke und tickern Rotkehlchen.
Zwischen Frühlingsakkorden und Entenpiffen: ein Januartag
18. Januar 2022
Noch ist nicht spürbar, dass die Tage länger, die Nächte kürzer werden. Noch haben Hochwinter und Corona das Land fest im Griff, und es ist jetzt besonders leicht, sich weggesperrt zu fühlen. Nicht so gern wie sonst gehe ich durch die Vogelstille in Wald und Feld, fürchte die Trübnis, die sie bei mir auslösen kann.
Vor knapp zweieinhalb Wochen, am letzten Tag des Jahres, sah ich Nachmittags am Lech hinter Pitzling einen Höckerschwan, der auf seltsam gekrümmte Weise, und lange, seinen Kopf unter Wasser hielt. Ich wartete auf sein Auftauchen, lenkte mehrmals das Fernglas zu ihm hin – bis ich realisierte, dass er tot sein musste. Das Foto zeigt ihn im Wasser liegen, in blendendem Weiß, die Wellen lösen seine Umrisse auf, er versinkt in der Spiegelung, die Spiegelung lässt ihn versinken. Um ihn herum das schimmernde Immergrün der Nadelbäume vom Hang, das sich im Wasser kräuselt. Als ich eine Stunde später von meiner Fahrt den Lech entlang zurückkomme, ist die Feuerwehr da, hat ihn herausgeholt. Der Schwan ist tot, das alte Jahr geht zu Ende, der tote Schwan wurde entsorgt …
Weiter präsent: Singschwäne – sie winken noch lange nicht zum Abschied
In Apfeldorf war schon am 2. Januar die Zahl der Singschwäne auf über hundert angestiegen. Ich horchte auf ihre immposanten ♫ Posaunenklänge ♫ und sah den schönen Spießenten beim Gründeln, den zwei Zwergsägerweibchen beim unentwegten Tauchen zu. Wunderte mich, dass schon so viele Beobachter am Ufer standen, offenbar wartend – bis mit schweren Flügeln ein Seeadlervorbeiflog, der sei, hieß es, schon seit ein paar Tagen da.
Inzwischen sind Ferien und Feste vorbei gerauscht und der Seeadler ist weiter geflogen. Die Spießenten sind geblieben, es dauert noch, bis die Zugunruhe sie packt. Ich hingegen bin unruhig. Ob es daran liegt, dass heute ein Vollmondtag ist? Das Wetter ist so milde, dass ich mit dem Fahhrad an den Lech fahren kann. Weg mit der Trübnis!
Eine Vollmond-Songline hinunter zum Lech
Verwundert und zunehmend vergnügt stelle ich unterwegs fest, dass die Vogelstille gebrochen ist. Für heute zumindest. Dem Mond sei Dank oder aus anderen Gründen. Alle ♫ Kohlmeisen ♫ längs meines Weges müssen heute ihre Frühlingsakkorde in die Luft setzen, fühlen sich offenbar gedrängt, in verschiedenen Tempi zu singen, zu wetzen, zu läuten. Jede hat ihren besonden sound, lustvoll und licht. Ich werde meinen Weg zum Lech buchstäblich hinunter geläutet. Spätestens jetzt glaube ich, dass die Tage nun doch länger werden.
Saatkrähe im Augustlaub mit hervorspießendem Schnabel
Vieles hält mich unterwegs auf. Gleich hinter Stoffen schwingt zwischen den Meisenlauten ein bunter Distelfink, ein ♫ Stieglitz ♫ erste Liedgirlanden in die Luft. Klingt heiter! Während ich ihm zuhöre, landet hinter mir ein Schwarm Saatkrähen. Wie jedes Winterhalbjahr ist hier ein kleiner Trupp von etwa dreißig Schwarzen zu Gast. Kräftige knochenweiße Schnäbel, nackt bis zum Grund. Die Stimmen rau und sonor, klingen tiefer als die der Rabenkrähen.
Sie lieben es, wie alle Vertreter der klugen geselligen Rabenvögel, gemeinsam umherzustreifen und dabei ausgiebig zu kommunizieren. Dazwischen die zierlichen Dohlen, grauköpfgig, blauäugig, die sich ihnen zugesellt haben.
Sonore Saatkrähenunterhaltung in der Feldmark, dazwischen Dohlen mit ihren hellen Kjaks und härter klingende Rufe von Rabenkrähen (00:15)
Glissandopfiffe, Grunzpfiffe und andere Auffälligkeiten
Über fünfzig Zwergtaucher in einer Fließstrecke am Lech
Dann bin ich unten am Lech, wo sich das Wintervolk tummelt. Darunter, immer im Pulk, ein halbes Hundert Zwergtaucher, unverkennbar in ihrer rundlichen Hurtigkeit, die Hinterteile hell und hochgepuschelt. Von ihnen, die im Frühjahr so spektakulär trillern können, ist heute nichts zu hören. Sie wimmeln tauchend umeinander, so schnell, dass es schwer fällt, sie genau zu zählen. Sind so winzig, wenn man sie von Weitem sieht, vom Wasser überglänzt!
Holt die Optik sie näher heran, sieht man deutlich ihre kleinen runden Bauschgestalten. Rings um sie her das stimmfreudige Gewimmel der Größeren und Großen. Blässrallen, Enten, Gänse, Säger, Schwäne, Wintergäste auch sie hier im Eisvogelrevier. Stets präsent sind die vielen Höckerschwäne, die sich über das Wasser verteilen, oft einzeln oder zu zweit. Stecken den Kopf unter Wasser, gründeln, gleiten gemächlich dahin.
Gemächlich wie ihr Dahingleiten ist auch ihre Kommunikation. Keine Posaunenklänge, sondern leisere Laute, schnarchelnd, fauchelnd, oft mit langen Pausen dazwischen. Ihre Fluggeräusche dagegen sind spektakulär, ganz im Gegensatz zu denen der Singschwäne, und werden als „singen“ bezeichnet.
Höckerschwankommunikation auf dem Lech bei Pitzling, Januar 2022
Ich finde es immer wieder spannend, dass die eine Schwanenart mit der Syrinx, die andere mit ihren Flügeln „singt“.
Faszinierend sind auch die Pfeifenten, kleine bunte Schwimmenten mit dem schönen lateinischen Namen Anas penelope, die fernab in Tundra und Taiga brüten und pünktlich jeden Herbst hier eintreffen. Sie werden wie die Spießenten und Singschwäne noch wochenlang bleiben. Oft tummeln sie sich im Pulk, der sich in Fließstrecken bildet, häufig um ein oder zwei Schwanenriesen herum.
Besonders bunt wirken die Männchen, denn sie sind auffällig gelbgestirnt. Zwischen Reiher- und Schnatterenten leuchten sie deutlich hervor. Was sie aber besonders auszeichnet, ist ihr Glissandopfiff. Wer ihn zum ersten Mal hört, glaubt kaum, dass er von einer Ente herrührt!
Glissandopfiffe eines Pfeifentenmännchens
Ganz andere Pfiffe lassen die Erpel der Stock- und Schnatterenten in ihrer Balzzeit hören. Die beginnt schon Ende September mit der „Verlobungszeit“. Grunzpfiffe werden diese Laute genannt, weil auf den Pfiff ein tiefes Knurren folgt, das aber nur schwer zu hören ist. Besonders laut und fiepend grunzpfeifen die Schnatterenten. Sie sind in Vielem den Stockenten ähnlich, doch ist ihr Aussehen unauffälliger als das der prachtvollen Stockentenmännchen. Ihr Pfiff dagegen ist umso schriller!
Schnatterenten mit Grunzpfiffen. Eine besonders lebhafte Tonaufnahme vom Balzbeginn Ende Herbst 2021 vom Zellsee. Im Hintergrund gleich nach Beginn (0:20) ein Grünschenkel.Nach 02:00 Graureiher-Flugrufe.
Hinter mir am Lechhang wird es laut, weil die Buntspechte sich wieder melden. Mit erregtem Trommeln und Keckern geben sie diesem Morgen den passenden Abschluss. Und der heißt, ins Hochdeutsche übersetzt: Auch wenn es demnächst wieder stürmt, friert und schneit: es wird doch Frühling werden.
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