verwildernis

verwildernis

am liebsten hinter der mamba
im tropenbusch hocken den
sonnenfleck im genick
kultur nur noch im beutel wo
schon der egel am blutfaden
lutscht und schrill
der zikadenruf schwillt:

zuhause ist vorwärts!
gehn und gehn bis zur
grünen grenze die
schwindet und schwindet
weil der fluss seine
schlingen verlegt:

wer weiß wie lange das
dauert: mich nicht: doch
wer will schon aufstehn!

hocken im sonnenringel
zischend vor schuppenlust
dicht an den dampfbauch
der erde gedrückt:
nichts
wird mehr wissen gemusst
aber ich weiß
nachts
in den tod gefallen oder
in brettwurzelnischen versteckt oder
dem schlangenschwanz aufgesessen
gutes wie böses ausgemerzt:

hier wird tapirlosung gerochen
aus voller kehle geröchelt
das ohr am schweigen
der zunge gewetzt

rotkehlchenlied

rotkehlchenlied

lange bevor die dämmerung steigt
heben meine orphischen lieder
und drosselrhythmen den vorhang aus nacht.

gläsern umsponnene Töne
tautropfen rollende waldmuschelperlen
rote korallenkaskaden
springen mit mir von blatt zu blatt

federnd hüpft mein herz mit –

stop beim häherkrähen
heimlicher blätterschlupf
um mit lackschwarzem schnabel
fliegen- und spinneneier zu schnappen –

und weiter singen weiter

mein herz fängt sich überm waldmarbelbusch
hebt die kaskade höher ins licht
formt aus morgenröte
jede tonperle neu

während meine korallenbrust
zwischen blattspitzen leuchtend
sehnsuchtskoloraturen schaukelt
in meinem süchtigen lied

sommernotiz

sommernotiz

moment der ewigkeit:
wenn die flügelspitze der schwalbe
das wasser ritzt, ihr schatten
den schlamm am grunde aufwühlt
während sie in die wolken stürzt –

moment der ewigkeit:
wenn das blatt im takt des
zilpzalplieds zuckt, sein schatten
den waldboden fleckt
und stille das flattern einnetzt –

moment der ewigkeit:
wenn die chöre der laubfrösche sich
im feldgeschrei der grillen fangen,
ihr echo die nacht aufschreckt
und der drohende lärm der maschinen im dorf
in lautlosigkeit versinkt –

nie endender augenblick jetzt wie in
ohnezeit

wortwolke

wortwolke

eine wolke kann nicht mal
kauderwelsch
so versteht keiner was sie
spricht

morgen mache ich
wolkenwelsch
das ist man schüttelt
zehn buchstaben krumm und schmeißt sie
zum fenster raus:

da stürzen sie eifrig zum
horizont und stürmen das hohe
blau
klammern sie unterm wolken
wisch und die wolke zaudert und
zischt:

wolken sagt sie
nix wort wert kein strich
schaudert
zieht ihre zehn blauflossen ein lässt
wortwelschiss
auf mich kaudern

stimmen

stimmen

unter meiner haut
hausen die tausend stimmen
zehntausend nackte geister
sagen:

nichts schöneres unter der sonne …

sagen wo ich nur abgrund
sehe was willst du ein steg
ist ein steg –
zischen: spring doch!
zischen: sing doch ohne
sorge sei ohne sorge
flüstern marsch marsch zurück still
gestanden auf auf nun zum
letzten gefecht –
wissen nicht dass ich weiter
nichts kann außer
hangen und bangen
und lechzen nach stille
vergeblich

aber manchmal schreie ich:
schweigt endlich schweigt!
da sinken sie ab ins unerhörte
tausend sekunden lang
so dass sich in meinen
schulterblättern die
flügelknospen rühren
und ich den klang der stille
endlich hören kann

vögel im garten

vögel im garten

im garten die vögel unter
winden, pollengeschwängert.
ihre syrinx von horizonten
getönt dort wo sich erde dem
himmel verstrickt lässt
die membranen flattern im
luftstrom der endlichkeit:

liedstrophen gleiten ins
wilde gekräut das unentwegt
aus der erde quillt und an
meinen knöcheln leckt –
hängen sich fest an
igelstacheln winden im
haar wie Medusas schlangen:

längst habe ich aufgegeben
dies wuchern und winden
zu begreifen: hänge
die schlangen ins weißdorn
gestrüpp ziehe langsam
den fuß zurück:

krötentunnel öffnen sich
schnirkelschneckenpfade
locken die lieder
ins labyrinth wo die
verwandlung beginnt

kleine nachricht an Virginia Woolf

kleine nachricht an Virginia Woolf

Virginia, manchmal muss ich
mit deinem mauve- und malvenfarbenen
wolfsrudel um die wette heulen
nachts wenn Mrs. Dalloway
im zimmer für sich allein
an ihrer gästeliste tüftelt
der leuchtturm sein stetes blinken
über die wellen wirft
sterne statt bomber fliegen
(ja, auch ein paar sputniks dazwischen)
und du am grunde der Ouze
den stein aus der tasche ziehst
aufsteigst
mit nassen füßen
hinüber ins gartenhaus gehst
dem schaukelstuhl schubs um schubs versetzt
und deine feder wieder
die fährte zu wittern beginnt

morgenvögel

Morgendunkel C.R.

morgenvögel

wir spüren das licht
im dunkeln
lange bevor es die nacht besticht
und träufeln unsere lieder
in gräue die langsam verblasst:
wer hätte gedacht
dass unser jubel
das licht lockt
und die sonne
über den horizont hebt!
mit unseren chören bauen wir
kathedralen aus licht
hieven die sonne höher
bis ein paar endlose
lidschläge lang
unsere lieder das
vogelmaß sprengen
gemeinsam sich steigernd
zu unerhörtem
freude schöner götterfunken
schöpferlobgesang

bayrische idylle: das marterl

bayrische idylle: das marterl

in der doppellinde überm
schmerzensmann bauen wir ein
nest voller vogelrufe unsere
ohren: und herzen das junge
laub: besänftigt schnurrt darin der
wind gurrt und turtelt brütet
sturm aus
na und! dann
fliegen wir eben dem
schmerzensmann um die
dornenkrone zuckt schon der erste
blitz: he rufen wir
steig herab vom kreuz starke
arme hat der sturm:
für uns für dich und fegt kronen
vom kopf: viel zu lange schon
blutet das lärchenholz
verharzt leib lenden
gesicht: flieg
schmerzensmann flieg: so
nest über kopf über
kreuz wollen wir
endlich
erlösung sehn

singschwäne auf dem Lech

singschwäne auf dem Lech

nichts da von traurigem
schwanengesang:
nordische eleganz
schneefarben
paradierend vorm schilf:

schnäbel von sonne
gezacktes moor knapp
übern horizont gehievt:

duettierend
posaunenenchöre:
blanke ju-schreie
an das leben
oder

steiß weiß in die höhe
hälse tief eingetunkt
ins eilig nüchterne
wasser
glücklich gründelnd in
schlick und schlamm:

lechwinter zu sommer-
leben! dem stau sei es
ausnahmsweise gedankt

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